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Bericht vom 2. Prozesstag (11. April) am Amtsgericht Heilbronn gegen Cécile Lecomte. Ihr wird vorgeworfen am 16. November 2017 nicht schnell genug den schwimmenden Protest beim 4. Neckar-Castor-Transport verlassen zu haben, nachdem es eine sehr fragwürdige Versammlungsauflösung gegeben hatte.
„Richter Reißer verliert die Nerven und jede Verhältnismäßigkeit“
Wenn eine Beschuldigte nicht kuscht, sondern im Gericht schlicht erwartet, dass sich der Richter an die Strafprozessordnung hält, dann wird es spannend. Dann zeigt Richter Reißer, dass in seinem Saal nur sein Wille zählt, auch wenn es wie beim heutigen Prozess wegen der Castor-Transporte 2017 nur um eine Ordnungswidrigkeit geht, wenn überhaupt. Mal will der Richter Anträge nur mündlich hören, dann wieder will er Anträge nur schriftlich zum alleinigen Lesen für sich bekommen, ohne dass die ZuhörerInnen die wesentlichen Inhalte erfahren können. Anträge zur Beweisaufnahme, zur Prozessführung, zur Befangenheit wurden sämtlich schematisch in Rekordtempo abgelehnt, die wenigsten mit Begründung, und auch die wenigen Begründungen waren inhaltlich nicht vertretbar.
Das ganze unter Verweigerung eines Rechtsbestandes, indem der Richter wie schon beim vorherigen Prozesstag erneut drei VerteidigerInnen kurzfristig ablehnte, weil sie ihm nicht stromlinienförmig genug erschienen, und mit einer permanenten Drohkulisse von acht teilweise stehenden Justizmachtleuten im Saal. Es ist ebenso ein Skandal, dass Richter Reißer sich erneut weigerte, den Verhandlungsverlauf zu protokollieren oder protokollieren zu lassen. Ein nachträgliches Gedächtnisprotokoll verletzt das Recht auf einen fairen Prozess ebenso wie die grobe Unvollständigkeit der Akte und die Ablehnung aller Beweisanträge.
Nach gut zwei Stunden eskalierte die Situation, als der Richter der Beschuldigten nach abruptem Beenden der Beweisaufnahme ein Ultimatum von einer Minute setzte, mit ihrem Schlusswort zu beginnen. Eine hierfür beantragte Pause lehnte er ab, alle dazu gestellten Anträge wurden kurz abgebügelt. Als der Beschuldigten in dieser angespannten Willkür-Situation ein wenig vornehmes Wort heraus rutsche, erhielt sie eine Ordnungsstrafe von 300 Euro aufgebrummt, kurz später folgte als weitere Überreaktion des Richters ein Ausschluss der Beschuldigten, sie dürfe dann nur noch „still der Urteilsverkündung beiwohnen“.
Da der Richter ja alle VerteidigerInnen verhindert hatte und sich die Beschuldigte somit nur selbst verteidigen konnte, wäre damit auch die Verteidigung vom Prozess ausgeschlossen gewesen. Somit musste die Beschuldigte erneut das Wort ergreifen, was der Richter nicht duldete.
Offenbar mit seinen Nerven und seiner Autorität am Ende, verlor er nun jedes Maß und verhängte drei Tage „Ordnungs“- Haft zur sofortigen Vollziehung, zum Entsetzen der Zuhörerschaft, die sich das Recht nahm, diese zynische Willkür in freier Meinungsäußerung zu kommentieren. Wobei vom Richter jeder Satz mit dem Hinauswurf aus dem Gerichtssaal beantwortet wurde, wodurch sich dieser schnell leerte. Wie es mit dem Prozess weitergeht, blieb unklar. Man kann annehmen, dass das Gericht erneut Tumulte behaupten wird, die es gar nicht gab, um somit auch im Nachhinein die absurden Durchsuchungen der ProzessbesucherInnen vor Beginn und die Einschüchterungskulisse im Gerichtssaal zu rechtfertigen.
Zu erwähnen ist noch, dass einem gehbehinderten Prozessbesucher sein Gehstock weggenommen und nicht rechtzeitig wieder gegeben wurde, dass ein anderer Prozessbesucher wegen Fotografierens vor dem Gerichtsgebäude gewürgt wurde und dass die Polizei die schwerst gehbehinderte Beschuldigte zwang, ihren Elektrorollstuhl zu verlassen und in ein ungeeignetes Fahrzeug für den Transport in die Haft einzusteigen.
Es handelte sich unseres Erachtens um einen typischen politischen Prozess, in dem man für seine Gesinnung bestraft wird.
Quelle: Bündnis „Neckar castorfrei“